Gewaltfreie Kommunikation (GfK)

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auch: Einfühlsame, transparente, aufrichtige Kommunikation

Bei der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg werden die Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt: Jede Handlung gilt als Versuch ein Bedürfnis zu erfüllen. Wenn wir verstehen, welche Bedürfnisse jemand durch seine Handlungen eigentlich erfüllen will, können wir eine Verbindung zu ihm aufbauen. Auch wenn die Handlungen darin bestehen, uns Vorwürfe zu machen oder uns anzugreifen.
Es geht dabei allerdings nicht darum, durch Unterwerfung oder Kompromissbildung möglichst schnell die Harmonie wieder herzustellen, sondern darum, aufrichtig und ehrlich zu sein und dabei mit dem Gegenüber und sich selbst in Verbindung zu bleiben.
Was die Verbindung zum Gegenüber unterbricht, sind Wertungen und Interpretationen von dessen Verhalten. Denn sobald wir nicht mehr auf einfühlsame Weise mit dem Gegenüber verbunden sind, beginnt die Gewaltspirale:

„Gewaltfrei heißt nicht nur Verzicht auf Gewalt und Widerstand, heißt auch nicht etwa die andere Wange hinhalten. Gewaltfrei ist eine viel schwierigere Aufgabe, nämlich Verständnis und Einfühlung in die Ängste, die Unwissenheit, Hilflosigkeit und Unsicherheit der Menschen und Faktoren, die gewaltvolles Handeln hervorrufen” (Ghandi).

Rosenberg hat ein 4-Schritte-Modell entwickelt, das uns helfen kann in Verbindung mit uns und unserem Gegenüber zu bleiben – insbesondere in Konfliktsituationen.

Die 4 Schritte der GfK

1. Beobachten statt Bewerten:

Sehr oft bewerten wir von vornherein Situationen anstatt sie zu beschreiben.
Beispiel:
„Ihr ewiges Geklingle….“ ist eine Bewertung des Patientenverhaltens.
„Sie haben in der letzten Stunde 6 Mal geklingelt“ ist eine Beobachtung/Beschreibung.

2. Gefühle benennen statt Gedanken oder Handlungen zu vermuten:

Gefühle haben die Funktion darauf hinzuweisen, ob ein Bedürfnis erfüllt ist oder nicht. Daher haben sie auch einen wichtigen Stellenwert in der Kommunikation. Rosenberg unterscheidet Gefühle von Gedanken über das vermutete Handeln oder Denken des Gegenübers.
Beispiel:
„Ich fühle mich von Ihnen unter Druck gesetzt“ ist eine Vermutung über die Absichten des Patienten.
„Ich bin aufgeschreckt, fühle mich atemlos und angespannt und werde ärgerlich“ benennt die Gefühle.

3. Bedürfnisse von Strategien unterscheiden

Ein Bedürfnis ist immer unabhängig von einer bestimmten Person, von einem bestimmten Ort und von einem bestimmten Zeitpunkt. Oft verwechseln wir unsere Bedürfnisse mit den Strategien, mit denen wir die Bedürfnisse zu erfüllen versuchen.
Beispiel:
„Ich werde jede Stunde ein Mal nach Ihnen schauen, sonst kann ich nicht vernünftig arbeiten“ ist eine mögliche Strategie,
„Ich brauche mehr Zeit am Stück, um meine Arbeit sorgfältig erledigen zu können“ benennt das dahinterliegende Bedürfnis.

4. Bitten formulieren statt Forderungen stellen

Damit unser Zusammenleben gegenseitig bereichernd sein kann, müssen wir dem Anderen mitteilen, was er für uns tun kann. Es geht dabei nicht darum, den Anderen zu manipulieren, sondern ihm durch konkrete Formulierungen Anhaltspunkte zu geben, was er hier und jetzt tun kann. Wenn wir still erwarten, dass er errät, was wir jetzt brauchen oder Forderungen an ihn stellen, wird das eher nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen.
Eine wirkliche Bitte ist daher positiv formuliert und bezieht sich auf das Hier und Jetzt.
Beispiel:
„Ich möchte Sie bitten, Ihre einzelnen Wünsche zu notieren und erst in einer halben Stunde wieder zu klingeln“ erweist sich als Forderung, wenn ich ein „Nein“ nicht akzeptieren kann.

 

Der gesamte Satz aus den obigen Beispielen könnte folgendermaßen lauten:
„Durch Ihr ewiges Geklingle fühle ich mich total unter Druck gesetzt! Ich werde ab jetzt jede Stunde ein Mal nach Ihnen schauen, sonst kann ich nicht vernünftig arbeiten. Ich möchte Sie bitten, Ihre einzelnen Wünsche zu notieren“.
Der so angesprochene Patient fühlt sich hierdurch wahrscheinlich nicht zu einer Verhaltensänderung eingeladen. Er wird eher das Gefühl haben, hier nicht gut versorgt zu werden. Womöglich reagiert er mit einem Gegenvorwurf („Glauben Sie, ich mache das zum Vergnügen? Ich bin schwerkrank!“).

„Sie haben in der letzten Stunde 6 Mal geklingelt. Dadurch werde ich jedesmal aufgeschreckt, fühle mich atemlos und angespannt und werde langsam ärgerlich. Ich brauche mehr Zeit am Stück, um meine Arbeit sorgfältig erledigen zu können. Deshalb möchte ich Sie bitten, Ihre einzelnen Wünsche zu notieren und erst in einer halben Stunde wieder zu klingeln“.
Nun weiß der Patient, wie es mir geht. Ich habe mich geöffnet und das lädt ihn ebenfalls zur Öffnung ein: „Ich bin so unruhig“.
Nun kann ich die 4 Schritte auf den Patienten anwenden, indem ich mich in ihn einfühle: „Sie klingeln so oft, weil Sie sich so unruhig fühlen. Hätten Sie vielleicht gerne jemanden bei sich?“ – „Ja, das wäre gut“ – „Gibt es jemanden, der Ihnen Gesellschaft leisten könnte?“ – „Ach, die arbeiten um diese Zeit doch alle“ – „Hm, ich könnte hier im Haus mal nach den ‚Grünen Damen‘ fragen“ u.s.w.
Es wird deutlich, dass das Problem der Einsamkeit nun nicht mehr zwischen Patient und Behandler ausgetragen wird, sondern beim Patienten bleibt. Der Behandler kann versuchen, zur Lösung des Problems beizutragen, ist aber nicht verantwortlich für das Befinden des Patienten.

Indem GfK das Gewicht auf das legt, was uns miteinander verbindet, eröffnen sich Wege für Lösungen, die voher unmöglich schienen. Denn es gibt immer mehrere Möglichkeiten, um die hinter unseren Handlungen liegenden Bedürfnisse zu erfüllen. Und indem wir einfühlsam miteinander umgehen, wird das grundlegende Bedürfnis nach in-Verbindung-sein genährt.

Um mit anderen einfühlsam umgehen zu können, benötigen wir Selbstempathie. GfK führt zu mehr Klarheit über unsere eigene Bedürfnisse und somit zur Selbstverantwortung. Die Beziehungsknoten werden entwirrt, wenn klar wird, wer was von wem braucht. Wir sind dann miteinander verbunden ohne uns verantwortlich für den anderen zu fühlen. Wir tun dann etwas für den anderen nicht aus Verpflichtung, sondern weil er uns darum bittet und wir Freude daran haben zum Leben beizutragen.