In der Anamnese werden die Informationen eingeholt, die wichtig für die Behandlung des Patienten sind. Über die Anamnese entsteht ein erstes Bild vom zu Behandlenden im Kopf des Behandlers, der dadurch Orientierung für die Behandlungsziele, aber auch für den Umgang mit dem Patienten erhält. Die Art der Informationen, die eingeholt werden, ist auch abhängig von der Profession des Behandlers. Aus ärztlicher Perspektive stehen andere Informationen im Vordergrund (körperliche Diagnosen, Krankheitsgeschichte, Behandlungswege u.ä.) als für einen Psychologen (familiärer Hintergrund, Copingstrategien, Ressourcen u.ä.). Eine rein medizinische Anamnese, die den Schwerpunkt auf das Krankheitsgeschehen legt und somit einen defizitären Blick darstellt, ist einseitig. Sie reduziert den Menschen, der im Kontext der medizinischen Versorgung in der Rolle als Patient auftritt, auf dessen Körper, losgelöst von seiner psychischen Befindlichkeit, seelischen Verankerung, familiärer Eingebundenheit, beruflicher Orientierung u.s.w.
Eine Anamnese im Palliativbereich muss alle Bereiche gleichermaßen umfassen. Der familiäre Hintergrund ist auch deshalb wichtig, weil ein bio-psycho-sozialer Ansatz, wie ihn Palliative Care beansprucht, eine multiperspektivische Anamnese erfordert. Es besteht sonst immer die Gefahr, dass wir Wesentliches übersehen und am Patienten vorbeibehandeln.
Ein psycho-soziales Anamneseinstrument ist beispielsweise das Genogramm, zur spirituellen Anamnese kann der SPIR, ein halbstrukturiertes klinisches Interview, dienen.
Für alle Anamneseinstrumente gilt: Die Karte ist nicht die Landschaft. Die Einordnung in Kategorien oder numerische Ausprägungen mag uns zu einem besseren Verstehen des Gegenübers verhelfen, davon unberührt bleibt die Herausforderung in die unmittelbare Begegnung mit Aufrichtigkeit und Offenheit zu treten.