1971
Reinhold Iblacker, Siegfried Braun
Ich glaube, die Wahrheit ist eine Art Wegstrecke, die man gemeinsam zurücklegen muss.
Der Film „Noch 16 Tage – Eine Sterbeklinik in London“ aus dem Jahr 1971 wird in der Palliativliteratur viel zitiert. Zweifelsohne handelt es sich um ein Zeitzeugnis insbesondere für die Entwicklung von Palliative Care in Deutschland. Oder besser: die verzögerte Entwicklung. Denn beides vermittelt der Film: Die Überzeugung, dass das Hospiz ein guter Ort zum Sterben ist, aber auch die Ambivalenz, die sich schon in der Übersetzung des englischen „Hospice“ in „Sterbeklinik“ zeigt. Die ersten Minuten sind dementsprechend in Szene gesetzt, der Film beginnt mit den Worten: „Wenn die Ambulanz in den Südosten Londons zum St. Christopher Hospice fährt und ein neuer Patient eingeliefert wird, wissen die Fahrer: Diesem Menschen ist nicht mehr zu helfen“. Es wird kräftig dramatisiert, indem die Patienten mit traurigen Gesichtern gezeigt werden, der Kommentar aus dem off drückt das gespaltene Verhältnis zum Sterben aus.
Bald nimmt der Film aber eine Wendung, es ist vom Leben die Rede, von der Zeit, die bleibt. Von der Einbindung der Angehörigen (keine festgelegten Besuchszeiten u.s.w.) und von der recht familären Atmosphäre: Die Patienten haben viel Kontakt untereinander, es gibt gemeinsame Feste und regelmäßig angebotene gemeinsame Gottesdienste. Es ist von einer 1:1-Betreuung die Rede, es wird von Freundschaften zwischen den Patienten oder Angehörigen und den Behandlern berichtet.
Am Ende werden in einer stillen Szene die Bilder einer Verstorbenen gezeigt. Das hatte auch 25 Jahre nach Kriegsende immer noch Schockwirkung für viele, die sich dadurch sowohl an die eigenen Verluste durch Krieg und Flucht als auch an die Gräueltaten der Deutschen erinnert gefühlt haben mochten.
Der Film verändert den Blick des Betrachters: „er sieht in solchen Gesten weniger vergebliche Anstrengung als Hoffnung, in einem solchen Gesicht weniger den bevorstehenden Tod als das behütete Leben“. Dem Film gelingt es, „dem Tod etwas von seinem Schrecken zu nehmen und dem Menschen im Sterben etwas von seiner Würde zurückzugeben“ (Filmzitate).
Beeindruckend sind die kurzen Interviews mit Dr. Cicely Saunders, Dr. Albertine Winner, Dr. Robert Twycross und anderen MitarbeiterInnen, in welchen das zum Ausdruck kommt, was auch heute unverändert als palliative Haltung gilt: Der Umgang mit Wahrheit, der Einsatz von Schmerzmitteln in adäquater Dosierung, die Menschlichkeit, die Toleranz bezüglich der Religion, das Reflektieren der eigenen Person als Behandler.
(Jan Gramm)
Der Film ist im Handel vergriffen, man kann ihn aber über folgende Adresse beziehen:
Katholisches Filmwerk GmbH
Ludwigstrasse.33
60327 Frankfurt a. M.
Tel. 069/ 971436-0
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Bewertung: * * * * *
Ein MUSS für alle, die im Hospiz- und Palliativbereich arbeiten.